In Mitteleuropa gibt es fast keine Urwälder mehr, die Natura 2000-Gebiete der Nordalpen beherbergen jedoch zum Teil sehr naturnahe Wälder. Hier findet sich eine erstaunliche Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen, die teils nur noch in diesen wertvollen Schutzgebieten vorkommen, in denen die Holznutzung nur eingeschränkt erfolgt.
Begriffsklärung
Wirkliche Urwälder, die von der menschlichen Holznutzung gänzlich unberührt geblieben sind, gibt es in Europa so gut wie nicht mehr. Die “Naturnähe” von Wäldern ist also ein gradueller Begriff. Grundsätzlich verhält sich die Naturnähe umgekehrt proportional zur Nutzungsintensität: wird ein Wald nur wenig oder gar nicht genutzt ist die Naturnähe hoch, wird intensiv gewirtschaftet, ist sie gering.
Einen wichtigen Maßstab bietet hier der Totholzanteil. Totes Holz, also abgestorbene Bäume, das im Wald verbleibt, ist von großer ökologischer Bedeutung (siehe unten). Je mehr von diesem natürlicherweise anfallenden Totholz im Wald verbleibt, desto naturnäher ist er. Zum Vergleich: In Urwäldern liegt der Totholzanteil bei 100 bis 300 m3 pro Hektar, in älteren Naturwaldreservaten (außer Nutzung gestellter Wald) bei 80 bis 90 m3 pro Hektar, im jüngeren Fichtenwäldern nur bei 5 m3 pro Hektar. In bewirtschafteten Wäldern wird heute ein Totholzanteil aus stehendem und liegendem Altholz von 40 bis 60 m3 pro Hektar zum Erhalt der Artenvielfalt angestrebt.
Lebensoase Totholz
Allgemein

Die Wege des Holzes verlaufen in der Natur primär in der Zeit: in Urwäldern wächst das Holz über Jahrhunderte in die Höhe und vor allem in die Breite. Stirbt so ein Baumriese mit ca. 500 Jahren ab, blüht das Leben auf andere Weise auf: Zahllose Käfer und andere Insekten leben im und vom abgestorbenen Holz und begleiten es auf seinem „Weg“ zum Humus, wo sich der Kreislauf schließt. Mit ihnen kommen Spechte und andere, seltene Vögel.
Der Alpenbock

Vielleicht der schönste Käfer Europas? Auf jeden Fall der nördlichen Kalkalpen! Wie so oft bei Insekten, geht dem kurzen Leben als Käfer (ca. 2 Wochen) eine ungleich längere Zeit als Larve (2-3 Jahre!) vorher. Diese Zeit verbringen die ebenso ungleich weniger schönen Larven im toten Holz von Buchen und Bergahornen mit Fressen – sofern sie kein Specht mit ebendiesem unterbricht.
Dreizehenspecht

Entgegen den meisten Kollegen im Reich der Vögel kommt dieser mit nur drei Zehen aus. Offensichtlich kein Nachteil bei der Borkenkäferjagd, denn dieser kleine Specht vertilgt bis über 3.000 Stück davon am Tag. So effizient ist keine Käferfalle!
