Tatterfrau, Tattermann und der Salamander-Fresser
Wie man versucht den bedrohten Alpensalamander vor einem gefährlichen Hautpilz zu bewahren.
An regnerischen Tagen kann es bei Wanderungen im Naturpark Karwendel vorkommen, dass man auf Schritt und Tritt beobachtet wird. Auf bemoostem Totholz und kleinen Felsen lauern die Tattermandln. So nennt man in der Region die Alpensalamander, die lebensfreudig Wald- und Bergwege kreuzen, zu zweit, zu dritt oder manchmal noch mehr. Doch seit etwas mehr als 10 Jahren breitet sich in Europa ein Krankheitserreger aus, welcher Feuersalamander, Bergmolch und ihre Verwandten befällt und zu deren Tode führt. Um unsere Alpensalamander davor zu bewahren ist es wichtig, sie gut zu beobachten, tote oder kranke Tiere zu melden und rücksichtsvoll mit ihnen umzugehen.
Wer tattert da?
Der Alpensalamander (Salamandra atra) gehört mit dem Feuersalamander (S. salamandra) zu den Vertretern der echten Salamander in Tirol. Zu erkennen ist der Alpensalamander an seiner Farbe (oberseits lackschwarz, unterseits meist etwas heller) und seiner schlanken Statur mit bis zu 15 cm Länge. Im Karwendel kann er mit dem Bergmolch verwechselt werden, jedoch ist dieser nicht einfarbig lackschwarz, sondern meist graubläulich und seine Unterseite stets orange oder rot gefärbt. Salamander verbringen als geschlechtsreife Tiere das ganze Jahr an Land, anders als die Molche, die jedes Jahr ein Gewässer zur Paarung und Eiablage aufsuchen. Alpensalamander haben noch eine weitere Unabhängigkeit von Gewässern entwickelt: Nach einigen Jahren Tragezeit werden Jungtiere direkt an Land geboren. Das gesamte Ei- und Larven-Stadium findet im Bauch des Weibchens statt. Somit sind die Tiere bestens an eine Lebensweise in den Bergen angepasst, wo viele Gewässer durch die extremen Schwankungen im Mikroklima nur zu manchen Zeiten Wasser führen.
Bedrohung durch einen Pilz
Die Verbreitung des Tattermandls erstreckt sich über die Ost- und Zentralalpen, sowie vereinzelt das Dinarische Gebirge. Dort beleben sie Bergwälder und -wiesen, Zwergstrauch-Heiden, Latschengebüsche oder Blockhalden. Sie leben versteckt unter Felsen und in Hohlräumen und Löchern im Boden. Meist werden die Salamander in der Dämmerung aktiv, wo sie Kleintiere jagen. An warmen regnerischen Sommertagen kann es jedoch vorkommen, dass Sie in großen Massen ihre Löcher verlassen auf die Suche nach Fortpflanzungspartnern gehen und Wanderer*innen mit unübersehbarer Präsenz eine Freude machen. Zunehmend wärmere Temperaturen und verschiedene Infektionserkrankungen bedrohen aber die Kälte-angepassten Salamander. Ein sehr gefährlicher Krankheitserreger ist Batrachochytrium salamandrivorans (kurz Bsal), ein Pilz, der 2013 zum ersten Mal an Feuersalamandern in Nordwesteuropa beschrieben wurde. Er infiziert die Haut der Tiere und führt zu Geschwüren, darauffolgenden bakteriellen Infektionen und letztlich oft zum Tod durch Sepsis (Blutvergiftung). Im Jargon bekam der Pilz den Namen „Salamander-Fresser“. Die Weitergabe der Erkrankung zwischen Salamandern kann mittels Sporen über direkten Hautkontakt oder indirekten Kontakt gleicher Flächen passieren. Bsal hat in Teilen Deutschlands und Belgiens zu großen Populations-Einbrüchen der Feuersalamander geführt. Weltweit wurde bei vielen anderen verwandten Salamandern und Molchen Ähnliches beobachtet. Glücklicherweise konnte jedoch noch nie ein infizierter Alpensalamander in freier Wildbahn dokumentiert werden. Um die Alpensalamander in ihrem kleinen Verbreitungsgebiet vor solchen Schicksalen zu bewahren sind Früherkennung und schnelles Eingreifen im Falle von Infektionen essenziell. Dafür hat sich in der Alpenregion ein Netzwerk aus Wissenschafter*innen formiert, welche Massensterben von Alpensalamandern im Zusammenhang mit Bsal untersuchen und so früh einschreiten könnten (EU-weit und Artenübergreifende Initiative hier: BsalEurope). Dabei sind sie all jenen sehr dankbar, die tote und kranke Salamander fotografieren und melden.
Salamander-Fresser im Karwendel?
Im Sommer 2025 erreichte eine Meldung den Naturpark, dass im Risstal eine Ansammlung toter Tattermandln gefunden wurde. Um eine Infektion mit Bsal auszuschließen, wurde innerhalb kürzester Zeit ein achtbeiniges Team wetterfester Praktikant*innen gebildet, welches Proben der dort lebenden Alpensalamander sammelte. Unter wissenschaftlicher Aufsicht vom Tiroler Herpetologen Florian Glaser konnten 9 tote Salamander gesammelt werden, die auf die Meldung zurückzuführen sind. Zusätzlich wurden mit einem Wattestäbchen 13 lebende und sehr lebendig wirkende Tattermandln und ein Bergmolch-Weibchen abgestrichen. Stäbchen und Totfunde wurden an ein Labor gesendet, wo mittels molekularbiologischen Methoden die Präsenz des Salamander-Fressers untersucht wurden. Und nach einer Woche warten gab es zum Glück Entwarnung. Alle beprobten Alpensalamander sind gesund. Die Todesursache des Massenfundes konnte veterenär-medizinisch nicht festgestellt werden – Durchatmen für die Tattermandln…
Waches Auge – sanfter Fuß – Alpensalamander-Gruß!
Der Salamander-Fresserpilz stellt ein potentielles Risiko für die Salamander der Alpen dar. Wir Wanderer*innen könnten mit unseren Schuhen beispielsweise Sporen der Erkrankung von einem Gebiet ins andere verschleppen, mit dem Berühren der Tiere die Pilze übertragen (der Alpensalamander ist laut FFH-Richtlinie geschützt, Fangen und Berühren der Tiere sind verboten) und durch den Stress die Salamander anfälliger machen. Wir können aber auch durch aufmerksame Beobachtung tote und kranke Salamander erkennen und diese melden. Damit kann einer Ausbreitung schnell entgegen gewirkt werden. Und wer das Glück hat, an einem regnerischen Sommertag bei jedem Schritt von einer viel Zahl an Tatterfrauen oder Tattermännern beobachtet zu werden, soll sie grüßen, vorsichtig zwischen ihnen durchspazieren und genießen, welchem Naturschauspiel man gerade Teil hat.
In Tirol melden Sie bitte Funde an Dr. Florian Glaser (0043 650 5762100 oder florian.glaser@aon.at).Mehr Informationen zur Erkrankung und den Maßnahmen in Tirol finden Sie hier oder können sich gerne mit Fragen auch an uns wenden.