Auf der Gramai ist etwas im Busch…
Eine Studie untersucht die Vegetation des Gramai Hochlegers und Zusammenhänge von Artenvielfalt und Verbuschung.
Nicola Funcke studiert im Bachelor Landschaftsnutzung und Naturschutz an der Hochschule Eberswalde und ist begeistert von der Biodiversität der Alpen. In ihrer Bachelor-Arbeit erhebt sie im Naturpark Karwendel die Artenvielfalt von Pflanzen auf den alpinen Magerrasen der Almen. Wie bedroht sind diese Lebensräume durch zunehmende Verbuschung? Welche seltenen Pflanzenarten kommen dort vor? Wie könnte man diese besonderen Lebensräume erhalten? Diesen Fragen geht die junge Forscherin am Gramai Hochleger (1750 m) hoch über dem Achensee nach.
In einer Woche im Feld versucht sie sich einen Überblick über die verschiedenen Pflanzen und Vegetationsgesellschaften des Gramai Hochlegers zu verschaffen. Eine Vegetationsgesellschaft ist ein natürlich gewachsener Zusammenschluss verschiedener Pflanzenarten, die sich an ähnliche Umgebungsbedingungen angepasst haben und gemeinsam an einem Standort wachsen. Mit im Gepäck hat Nicola für ihre Untersuchungen im Gelände Bestimmungsbücher, Pinzette und Lupe. Pflanzenbestimmung ist Feinarbeit, da braucht es ein gutes Auge für das kleine Detail. Was für ungeübte Betrachter*innen nach einem Gras aussieht, weiß Nicola gekonnt in verschiedene Arten von Seggen, Schmielen, oder Rispengräser einzuordnen. Die Blüte, die oft ein sehr gutes Merkmal zur Unterscheidung von Pflanzenarten liefert, fehlt Anfang Juni noch bei vielen Pflanzen in den Almwiesen, bei manchen Frühblühern wie den Alpenglöckchen (Soldanella) ist sie schon vergangen. Dennoch kann Nicola viele der Pflanzen identifizieren. Auf standardisierten Aufnahme-Flächen von 5×5 Quadratmetern werden so akribisch alle vorkommenden Arten dokumentiert. Dabei kann die Forscherin bis zu 50 verschiedene Blütenpflanzen auf einer Fläche finden – die beeindruckende Vielfalt der Almen. Anhand der Vergesellschaftung unterschiedlicher Pflanzenarten miteinander kann Nicola in ihrer Analyse spezialisierte Ökosysteme (mit schönen Namen wie „Blaugras-Horstseggenrasen“) identifizieren. In der Computer-Auswertung kann sie dann mit Hilfe von Geoinformations-Systemen eine Karte des Gramai-Hochlegers mit den derzeitigen Verbreitungen der Biotope und Vegetationsgesellschaften erstellen. Damit kann man nachvollziehen, wie sich die Almwiesen in Zukunft verändern und welche Faktoren wie z.B. Klima oder Beweidung diese Veränderungen beeinflussen.Die komplexen Ökosysteme um Almen und ihre spezialisierten Pflanzenarten sind einer eigenen Dynamik ausgesetzt. Die nährstoffarmen Wiesen ohne Busch- und Baumvegetation sind ein sehr fragiler Zusammenschluss einer Vielfalt von Gräsern, Blumen und Kräutern. Einerseits kann es leicht passieren, dass Gehölze zu wachsen beginnen und durch ihre Beschattung den kleineren Pflanzen Licht und Wasser verwähren. Dies führt auf längere Sicht zur Verbuschung, Bildung von Latschen- (Pinus mugo) und Almrosensäumen (Rhododendron ferrugineum und R. hirsutum) und dem Verlust der Rasengesellschaften. Diese Verbuschung kann mit Beweidung durch Schafe, Ziegen, Rinder oder andere Großsäuger verhindert werden. Andererseits tragen jedoch die Tiere durch Tritt und Nährstoff-Einträge ihrer Hinterlassenschaften zu Schäden an den Pflanzen bei. Denn die wunderbaren Katzenpfötchen (Antennaria dioica) und anderen Magerrasen-Spezialisten können mit einem Überangebot an Nährstoffen im Boden nicht so gut umgehen, wie die dominanten Wiesenkräuter Löwenzahn oder Alpen-Sauerampfer. Damit wird durch zu starke Beweidung schnell aus artenreichen Magerrasen eine artenarme, aber üppige Almwiese mit Löwenzahn und Co. Um nun den richtigen Mittelweg zwischen Verbuschung und Überbeweidung zu finden, sind Studien wie die von Nicola sehr wertvoll. Sie dokumentieren, welche Pflanzen vorliegen, und helfen die Verbuschung und eine Überbeanspruchung durch Beweidung nachzuvollziehen und richtige Eingriffs-Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel kann eine manuelle Entfernung der Buschbestände (Schwenden) wie es im Naturpark Karwendel gemacht wird, die Verbuschung bremsen, ohne einen verstärkten Nährstoffeintrag durch das Almvieh zu riskieren.
Mit vollem Einsatz hilft Nicola mit ihrer Bachelor-Arbeit das Ökosystem Almwiese besser zu verstehen und seine Zukunft zu sichern. Was Nicolas Zukunft anbelangt, ist sie sich sicher: Sie möchte im Naturschutz arbeiten; ob in den Alpen oder doch im schönen Brandenburg kann sie noch nicht sagen. Aber mit ihrem Verständnis für Ökosysteme, den Willen anzupacken und der Begeisterung für Alpenpflanzen hat sie sehr florierende Perspektiven.